Innere Landschaften

Kunsthaus Mettmann, 2007

Von Ulla Pantel

METTMANN „Abstrakt zu malen finde ich viel schwieriger als die realistische Malerei“, sagt Ewa Jaczynska. Die abstrakten Arbeiten, die sie zur Zeit im Kunsthaus Mettmann ausstellt, bedeuten für sie eine Weiterentwicklung und Herausforderung ihres bisherigen Schaffens. Aus ihren realistischen Landschaften sind im Laufe der letzten Jahre Schritt für Schritt „innere Landschaften“ geworden. Dass die 1974 in Polen geborene Künstlerin auch die Techniken der Radierung, der Lithografie, des Linol- und Holzschnitts beherrscht, zeigen die Mappen mit Bildern aus den vergangenen Jahren.

Während die Arbeiten im rechten Raum des Kunsthauses noch auf der Grundlage real existierender Landschaften entstanden, entstammen die neuesten Bilder im rechten Raum ausschließlich der Fantasie der jungen Künstlerin.

Auch in ihre neuen Arbeiten kann der Betrachter leicht Gebirgslandschafen, Strände oder Meereswellen hinein interpretieren. Weitere Elemente kommen allerdings in mehreren Schichten hinzu. In kräftigem Pink, Rot oder Hellblau ziehen sich Horizontlinien in verschiedenen Höhen durch die „Landschaften“, so dass zwischen den Bildern eine Verbindung entsteht.

Spiel mit der Fantasie

„Ich kann meine Bilder beschreiben wie zum Beispiel Bäume in Bewegung, Untergang, Abend, Kosmos, Blaues Meer, schöner Tag, Himmel. Ich spiele gerne mit meiner Fantasie und suche nach verschiedenen Stimmungen“, sagt Ewa Jaczynska. Sie malt einerseits mit Bewusstsein und Überlegung, dann wieder schnell, spontan und beweglich. Die Kontraste, Strukturen, Bewegungsspuren von dicken und dünnen Pinseln lassen in ihren Bildern-manchmal über Monate hinweg-verschiedene Ebenen entstehen. „Es reizt mich, durch neue Farbzusammenstellungen etwas herauszuarbeiten, das in der Realität nicht existiert“, sagt sie. Ganz anders, mit genauer Vorstellung vom Endergebnis und in präziser Handwerkskunst, sind die Holzschnitte im hinteren Raum entstanden, die Ewa Jaczynska in jeweils sieben fröhlich-klaren Farben gedruckt hat.

Rheinische Post, Dienstag 14. August 2007

Dick aufgetragen

Bilder von Ewa Jaczynska im Gärtnerhaus, 2012

Von Heidrun Wirth

BONN. Farbstark leuchten die Bilder von Ewa Jaczynska von den Wänden im Kurfürstlichen Gärtnerhaus. Die 1974 in Alt Münsterberg in Polen geborene Künstlerin kennt keine Angst vor blitzblankes Türkis  ins Rennen geworfen auf einem Bild unweit von Pflanzendarstellungen, die in mildem Schilfgrün gehalten sind. In solch starken Kontrasten und disparaten Farbenspielen scheint die Farbenfreude Polens im Werk der Malerin immer wieder durchzudringen.

Und da ist vieles, was die Meisterschülerin von Herbert Brandl, (Düsseldorfer Akademie), die zuvor in Allenstein  in Polen an der Ermländisch Masurischen Universität ein Studium als Kunstlehrerin absolviert hat, nun zwischen den verschiedenen Stilen ausprobiert.

In ihrem Bild „Eisgletscher“ wird pastos gespachtelt, dann wieder werden feinste Transparenten übereinandergelegt. Rinnende Farbspuren und Spritzer erzählen vom freien „dripping“ westlicher Kunst, wie es Jackson Pollock mit seinen geschleuderten Farbspri zern einst in die Kunst eingeführt hat. Im Mittelpunkt steht das große Format mit dem Titel „Bedrohung“. Wie die meisten dieser Bilder ist es zwischen Figuration und Abstraktion festgemacht. Schlingernde Unterwasserpflanzen oder sind es fallende Kaskaden, die sich in dynamischen orangenen Farbruten auf türkisenem Grund hervor wölben ? Aus ihrem Drunter und Drüber entsteht eine geheimnisvolle Bildtiefe. Manches ist (zu) dick in Farbplacken aufgetragen, anderes wirkt zart und fein. Irgendwo wird die Malerei dann sogar mit dem Schnitzmesser fortgesetzt, und der bloße freigeschnitzte Bildgrund einer Tischlerplatte kommt zum Vorschein. Tief eingekerbte Linien bilden neue Strukturen und Lösungen die zeichnerischen  Liniengefüge ab.

Eine Kurzfassung aus der Ausstellungseröffnung

„Die Haut des Raumes“ am 30. Mai 2010

Von Melanie Florin, M.A.

Anfänglich malte Ewa Jaczynska Natur: Landschaften, Felsen und Bäume, die auf der Grund­lage real existierender Vorbilder entstanden, sowie naturverbundene Sujets wie Tiere (insbesondere Vögel und Fische) und menschliche Akte. Doch die Künstlerin ging ihren Weg konsequent weiter, indem sie mit bemerkenswerter Stringenz ihre Kunst immer mehr konzentrierte und verdichtete in Richtung Abstraktion. „Es war eine tiefe Sehnsucht von mir, mich vom Gegenständlichen zu befreien“, sagt sie von sich selbst. Und: „Meine Bilder sind Bilder des Träumens; Phantasiebilder, die nicht in der Realität existieren.“

Dennoch bleibt die Natur Basis ihrer Bilder – stets auf einem schmalen Grat balancierend zwischen Gegenständlichkeit und Verfremdung. Nicht das Bemühen um „Natur- und detail­getreue Wiedergabe“ ist das Anliegen von Ewa Jaczynska, sondern das Erschaffen „innerer Landschaften und Bilder“. Sie ist eine Sammlerin von Natur und Farbeindrücken, die ihr Auge aufnimmt und speichert. Das Gesehene, Erlebte, Gespeicherte und Erinnerte fließt in ihre Malerei ein, teils absichtsvoll und gezielt, teils unbewusst und intuitiv. Aus diesem Fundus heraus schafft sie dynamische Kompositionen voller Kraft und Farbe – auf der Suche nach Kontrasten und Licht-Schatten-Spielen, Rhythmus und Bewegung sowie einem eigenen Dialog der Farben. „Die Farben unterhalten sich, sie kommunizieren miteinander, und auch ich spreche mit dem Bild“, so Ewa Jaczynska. Auf diese Weise entwickelt sich eine Wechselwirkung aus zuweilen starken Farbkontrasten, die sich gegenseitig in ihrer Leuchtkraft verstärken und Spannung und Harmonie gleichermaßen vereinen.

Ausgangspunkt ihrer Malerei ist also die Farbe, die zum Teil mit heftigem Pinselstrich in kraftvollen Gesten auf die Leinwand gebracht wird. Flächen, die den Duktus eines breiten Pinsels sehen lassen, werden in enorm vielen dünnen Schichten übereinandergelegt. Hierzu entwickelt die Malerin vorher ein genaues Farbkonzept. Der Malvorgang indes geschieht prozesshaft, d.h. er spielt sich auf der Ebene der künstlerischen Intuition und Erfahrung ab.

„ich male so lange, bis ich weiß, dass alle Teile des Bildes zusammenpassen“,  so die Künstlerin.

Ewa Jaczynska schichtet die Farben in unterschiedlicher Dichte. Dadurch verdecken sich die verschiedenen Schichtungen nicht gegenseitig, vielmehr scheinen sie alle wie ein feines Geflecht miteinander verwoben zu sein. Tieferliegende Farbflächen schimmern durch die oberen hindurch, während diese in ihrer – partiellen – Transparenz Einblicke nicht näher bestimmbarer Raumdimensionen des Bildes gewähren. Räumlichkeit und Tiefenwirkung wird so erreicht – die „Haut des Raumes“ ist durchscheinend. Die Flächen und Schichten, die einander überlagern und durchdringen, werden zu raumschaffenden Bildelementen.

Bei den neuen Werken, in denen Ewa Jaczynska Höhungen mit dickflüssigem Gips setzt, öffnet sich neben der Bildtiefe eine weitere räumliche Dimension: Die plastische Materialität, der pastose Farbauftrag stößt aus der Bildoberfläche heraus, ragt in die Welt des Betrachters hinein. In einigen Bildern dieser Ausstellung stapeln sich die Schichten auch horizontal oder verlaufen streng vertikal. Dies findet sich an den Bilder an der Längswand: In dem Blatt „Ohne Titel“ legen sich zwei blockhafte, vertikale Streifen über eine bildparallel angelegte Horizontlinienkomposition. Der kraftvolle, breite Strich ist allerdings nicht mit dem Pinsel gezogen-vielmehr  wird diese Maltechnik zitiert indem Medium Holzschnitt.

Wenden wir uns wieder den Gemälden zu. Der Betrachter taucht hier in Bildwelten ein, die zwischen Abstraktion und Figuration changieren. Manches wirkt vielleicht nur auf den ersten Blick gegenstandslos, während sich bei längerem Hinsehen Ahnungen von Gegenständlichem formen. Sind es Naturphänomene, Felsformationen, vegetabile Gebilde oder doch eher abstrakte Formen, die uns auf Ewa Jaczynskas Bildern begegnen? Beide Optionen der Betrachtung bleiben offen.

Widmen wir uns einemneuen Werk der Malerin mit dem Titel „Barrikade“ (2010). Dieses Bild lebt von starken, energiesprühenden Farbkontrasten: den Komplementärkontrasten Lila-Gelb sowie Blau – Orange-Farben, die sich gegenseitig in ihrer Leuchtkraft steigern. Das untere Drittel füllen zarte, mit feinen Strichen hin gewehte Formen in Orange, die wie Sterne oder Blumen gelesen werden können, darüber in hellblau-grünlichen Tönen angedeutete Horizontlinien, die Ferne suggerieren. Breite Balken in Lila schieben sich in den Vordergrund des Bildes, ergänzt durch scheinbar dahinterliegende Gitterstrukturen. Im Zentrum blitzt kräftiges Gelb hinter den dunklen Barrikaden auf. Ist es nun eine rein abstrakte Farb-und Flächenkonstellation oder eine gegenständlich anmutende, phantasielandschaftliche Komposition?

Das Nachbarbild „Wildnis wuchernd“, ebenfalls ein neues Werk, bietet konkretere Bildelemente: Hier schiebt sich hellbraunes Geäst in den Vordergrund, die dünnen, geometrisch verspannten Zweige bilden eine Dreiecksform aus, was die Assoziation an ein Segel hervorruft. Die Bildfläche teilt sich diagonal in zwei Hälften: Während rechts lineare Strukturen ordnen und stabilisieren, wuchert gegenüberliegend ein dichtes, undurchdringliches Blättergewirr in vielfachen Grüntönen. Im Kontrast hierzu erschließen sich verschiedene Tiefenschichtungen im Bereich des Geästs, hinter dem gischt artig zart – helle Farbe hoch zu schäumen scheint – dies vor einem schwarz – blauen Hintergrund, der wiederum ansatzweise bis zu einem weiß und blau durchzogenen Untergrund durchblicken lässt. (Ein kleines, links oben angestücktes Format zitiert das große, indem es die Formen der Blätter aufgreift und weiterführt: Die wuchernde Wildnis kennt oben keine Grenzen.)

Schauen wir uns ein weiteres Ölbild an. Der Titel „Lawine“ (2008) liefert den thematischen Einstieg in das Bild: Vermittelt wird die Unberechenbarkeit und Dynamik der Naturgewalt, die grandiose Wucht herabstürzender Schneemassen. Einen Wasserfall oder einen Deichbuch  darin zu entdecken, ist aber ebenso legitim. Und auf abstrakter Ebene überzeugt das Ölbild gleichermaßen als Komposition von düsterem Schwarz bis hin zu strahlendem Weiß reichend, während der Hintergrund in sanften Tönen verschwimmt. Unterschiedlicher Strukturen und Materialitäten des Farbauftrags sind hier in ein spannungsvolles Verhältnis gesetzt.

Ein neues Werk mit dem Titel „Jalousien“ (2010) zeigt, wie Ewa Jaczynska mit Gips arbeitet. Die Bildtiefe wird hier erzeugt durch gemalte Bänder und Gitterstrukturen, die mehrfach übereinander geschichtet sind. Das Liniengeflecht gewährt Durchblicke in einen nicht näher bestimmten Raum von kaum zu definierender Tiefe – sowohl durch die Zwischenräume als auch durch den durchscheinenden Farbauftrag. Das duftige Gebilde erhält eine Verfestigung durch die pastos aus Gips gesetzten Vertikalen – ein Kontrast zwischen Transparenz und Masse.

Werke von Ewa Jaczynska sind „Bildlandschaften“, die man mit allen Sinnen „erwandern“ kann; vieles gibt es zu erkunden, Empfindungen werden wachgerufen, Erinnerungen und Assoziationen geweckt. Sich einzulassen auf ihre Arbeiten bedeutet ein sinnliches Erlebnis, das der eigenen Wahrnehmung manches abverlangt, aber dafür im Gegenzug ungemein viel bietet an neuen Sicht- und Sehweisen.

Ausstellung im Kurfürstlichen Gärtnerhaus in Bonn, 2012

„Ein Debüt im Gärtnerhaus“ 

Von Christina zu Mecklenburg

Mit einem faszinierenden Diskurs über neue Lösungen zum althergebrachten Thema Naturräume bestreitet Ewa Jaczynska ihr gelungenes Bonner Debüt. In ihrem Projekt „Innere Landschaften“ wägt die 1974 im polnischen Alt Münsterberg geborene Ölmalerin zunächst die Grundkonstanten landschaftlicher Darstellungen ab. Von hier aus führt der Weg zu individuellen Farbentscheidungen, abgewogenen Licht- und Schattenverhältnissen sowie zur Entwicklung von Raumillusion.

Frappierend ist zunächst ein Facettenreichtum an expressiven Bildplänen; diese reichen von dichten, gestisch geprägten Naturstücken („Pfad“) bis hin zu panoramaartig aufgefalteten Impressionen („Wald“). Malerische Verve, Kraft und eine Prise suggestiver Magie diktieren ein Ensemble (2008-2011), das entweder auf Tischplattensegmenten, Holztafeln oder auf Leinwand projiziert erscheint. Erdverhaftete Motive, wie abstrahierte Analogiebildungen eines Baumes offenbaren etwa den Aspekt Wachstum und Geheimstruktur. Wasser- und Grünbiotope durchtränkt die Düsseldorfer Meisterschülerin (Klasse Herbert Brandl) mit dem Fluss süffiger Farben.

General-Anzeiger, 3./4. März 2012